«Zürich ist gebaut» — ein Zitat mit Eigenleben

Es gibt nicht viele Personen, die für sich in Anspruch nehmen können, eine Redewendung geprägt zu haben. Eine davon ist die ehemalige SP-Stadträtin Ursula Koch. Das berühmte Zitat „Zürich ist gebaut“ wird ihr zugeschrieben, wenn auch selten in dem Sinn, wie sie es damals wohl gemeint hat.

Der Zufall will es, dass mir vor kurzem die Originalrede von Ursula Koch in die Hände fiel, die sie 1988 vor dem SIA hielt. Zitat: „Die Stadt ist gebaut. Sie muss nicht neu- sondern umgebaut werden.“ Mit anderen Worten: Es war damals schon deutlich, dass es in und um Zürich kaum mehr unbebaute Freiflächen gibt, auf denen grosszügig Neues erstellt werden kann.

 

Ähnliche Probleme und doch ganz anders

Obwohl die Ära Koch noch gar nicht so lange her ist, entführt einen die Lektüre des Papiers in eine ganz andere Zeit. Geschrieben ist es beispielsweise mit Kugelkopf-Schreibmaschine. – Wer erinnert sich noch an diese technische Neuerung? Und wer weiss noch, dass die Stadt damals unter Einwohnerschwund zu leiden hatte? Die Bevölkerung war von rund 450’000 auf 350’000 gesunken. Für Ursula Koch war damals die Zielsetzung klar: Die Lebens- und insbesondere die Wohnqualität in Zürich sollten wieder steigen, und dementsprechend forderte sie eine bessere Baukultur.

Heute ist die Stadt als Wohnort wieder attraktiv. Ende 2010 zählte Zürich 385’468 Einwohner. Das Wohnen ist jedoch weiterhin ein Problem. Die Mieten steigen, Familien müssen sich deshalb wieder ausserhalb der Stadt einen Platz zum Leben.

 

Mehr Wohnungen mit fairer Miete

Am vergangenen Mittwoch standen die Initiative „Wohnen für alle“ der SP, die mindestens 33 Prozent gemeinnützige Mietwohnungen in der Stadt fordert, sowie die wohnbaupolitischen Initiativen der EVP zur Debatte. Allen ist gemeinsam, dass sie moderate Mietpreise fordern. D.h. kostendeckende Mieten, auch Kostenmiete genannt, anstelle von Spekulationsgewinnen.

Die Spezialkommission Finanzdepartement und der Stadtrat haben nach eingehender Debatte einen Gegenvorschlag erarbeitet, der in weiten Teilen die Ziele der Initiativen erfüllt. Die SP-Fraktion unterstützt daher den Gegenvorschlag der Kommission; die Partei wird deshalb voraussichtlich ihre Initiative zugunsten dieses Gegenvorschlags zurückzuziehen, nachdem dieser in der Schlussabstimmung eine im Gemeinderat eine Mehrheit erhalten hat. Ursula Koch hätte sicher nichts dagegen, erneut leicht abgeändert zitiert zu werden: „Die Mietpreise in Zürich müssen dringend umgebaut werden, dieser Gemeinderatsentscheid ist ein wichtiger Schritt dazu.“