Trockene Materien
Manche meiner RatskollegInnen sind seit jungen Jahren politisch aktiv. Ich bin erst im Jahr 2006 als Ü30 der SP beigetreten. In jungen Jahren wollte ich nicht die Welt retten und hatte auch kein Sendungsbewusstsein, aber schon damals einige abstrakte Ideen. Drei davon:
1. Offenlegung der Parteifinanzierung:
Es störte mich, dass wir als Verfechter der direkten Demokratie keine Offenlegungspflichten für die Finanzströme von Parteien, Wahlkämpfen, Volksinitiativen oder Referenden haben. Denn dies ist schlicht intransparent und öffnet der Korruption Tür und Tor.
2. Verfassungsgerichtsbarkeit und Normenkontrolle für Initiativen:
Es störte mich, dass die Verfassungsgerichtsbarkeit gegenüber Bundesgesetzen eingeschränkt ist. Konkret heisst das, dass Gerichte grundsätzlich an Bundesgesetze gebunden sind, selbst wenn diese verfassungswidrig sind. Das heisst auch, dass Gerichte solche verfassungswidrigen Gesetze nicht aufheben, im Vornherein für ungültig erklären oder ihnen die Anwendung versagen können.
Das Bundesgericht kann so auch nicht Initiativen für ungültig erklären, die höher stehendem Recht widersprechen. Etwas Abstruses wie jetzt aktuell die SVP-Selbstbestimmungsinitiative kann schlicht nicht verhindert werden. Der letzte Versuch, das zu ändern, scheiterte 2012.
3. Gesetzesinitiative:
Es störte mich, dass Initiativen nur auf Verfassungsstufe und nicht auf Gesetzesstufe möglich sind. So kommt tonnenweise untergeordnetes Recht in die Verfassung und bläht diese auf. Der letzte Versuch, das zu ändern, wurde zum letzten Mal 1961 vom Volk abgelehnt.
Mit diesen trockenen Ideen lässt sich natürlich kein Blumentopf gewinnen. Und doch hängen sie mit meinem parteipolitischen Engagement zusammen. Etwas vom Ersten, was ich in unserer Sektion institutionalisierte, waren Brot und Spiele. Konkret: 2007 führten wir ein Weihnachtskegeln ein. Es gab Essen, Trinken und eben Kegeln. Es nahmen da auch zahlreiche Gemeinde- und KantonsrätInnen teil. Ich brachte ganz naiv meine Ideen vor, doch ich spürte nur Gegenwind. Man teilte zwar meine Ansichten, aber damit könne man nichts gewinnen, sondern nur verlieren.
Ob diese GenossInnen sich noch daran erinnern, weiss ich nicht. Einige von ihnen sitzen in der Zwischenzeit im Nationalrat oder besetzen Exekutivämter. Als das Kegeln im Dezember 2017 zum 11. Mal in stattfand, hatte sich einiges geändert: auf nationaler Ebene wurde im Oktober 2017 die Transparenz-Initiative eingereicht. Und anfangs 2018 wurde in den Kantonen Schwyz und Freiburg völlig unerwartet die JUSO-Transparenzinitiative angenommen! Auch die anderen beiden Themen haben nichts von ihrer Aktualität verloren.
Den trockenen Materien bin ich auch im Gemeinderat treu geblieben. Am 4. Juli geschah daselbst Historisches: die SVP nahm ihren gut neun Monate zuvor gestellten Ablehnungsantrag zu einem Postulat von Renate Fischer und mir zurück, in dem es um die Erweiterung des Handlungsspielraums der Ombudsstelle der Stadt Zürich und der Vorstoss wurde so einstimmig überwiesen.