Das war die Sommersession 2022

Die Sommersession 2022 verlief aus SP-Sicht ausserordentlich erfolgreich!

Mit seinem Ja zu einem griffigen indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative setzt der Nationalrat einen Meilenstein in der Energiewende hin zu einer fossilfreien Zukunft. Besonders erfreulich ist, dass darin nun das von der SP vorangetriebenen Programm zum Ersatz von Öl- und Gasheizungen enthalten ist. Denn es ist klar: Für die Bekämpfung der Klimakrise braucht es massive öffentliche Investitionen in den Klimaschutz.

Auch mit der Prämienentlastungs-Initiative ist uns ein grosser Schritt gelungen: Der Nationalrat hat einem substanziellen Gegenvorschlag zu unserer Prämienentlastungsinitiative zugestimmt, der Menschen mit unteren und mittleren Einkommen wirksam entlastet. Weshalb das so wichtig ist, erklärte Mattea Meyer im Nationalrat: Die Kaufkraft vieler Familien und Einzelhaushalte gerät immer stärker unter Druck. Löhne und Renten stagnieren, doch Energiepreise, Mieten und Krankenkassenprämien steigen ungebremst an. Jetzt ist der Ständerat am Zug: Er darf den Gegenvorschlag nicht verwässern.

Krieg in der Ukraine und Auswirkungen auf die Schweiz

Auch in dieser Session hat uns der furchtbare Krieg in der Ukraine stark beschäftigt. Der Überfall Russlands dauert an – mit verheerenden Konsequenzen. Tagtäglich sterben Menschen in der Ukraine, die Blockade des schwarzen Meers verursacht eine globale Hungerkrise. Die SP setzt sich dafür ein, dass die Schweiz mit umfangreicher Soforthilfe an das Welternährungsprogramm der UNO zur Bekämpfung dieser Hungerkrise beiträgt.

 

Auch in der Schweiz nehmen die wirtschaftlichen Probleme zu. Der Anstieg der Energiepreise und die drohende Inflation trifft vor allem Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen. Die SP hat deshalb während der Session ein Massnahmenpaket zur Stärkung der Kaufkraft vorgeschlagen. Je mehr den Menschen im Portemonnaie bleibt, desto besser ist das auch für die Wirtschaft.

Europa

Der Krieg hat aber auch lieb gewonnene Gewissheiten des Schweizer Bürger:innentums in Frage gestellt. Etwa das Dogma des Abseitsstehens unter dem Vorwand der Neutralität. Europa ist in den letzten Monaten weiter zusammengerückt – nur die Schweiz steht auf Grund der Passivität des Bundesrats weiter im Abseits. Die Blockade in der Europa-Politik hat bereits heute negative Auswirkungen auf Forschung und Bildung in der Schweiz, die von den Forschungs- und Austauschprogrammen Horizon Europe und Erasmus+ ausgeschlossen sind. Im Parlament wächst die Unzufriedenheit und im Nationalrat fand der Vorschlag der SP für ein Stabilisierungsabkommen mit der EU als erster Schritt zur Lösung der bestehenden Probleme eine Mehrheit. Fabian Molina erklärte im Namen der Kommission, worum es dabei geht.

Aktive Aussenpolitik für die Menschenrechte über Sanktionen

Auch in der Aussenpolitik konnten wir einen Erfolg verbuchen: Geht es nach dem Willen des Nationalrats, kann die Schweiz in Zukunft eigenständig Sanktionen gegen Personen und Institutionen erlassen, welche die Menschenrechte in schwerwiegender Weise verletzten (Votum von Fabian Molina). Diese Gesetzesänderung würde es dem Bundesrat in Zukunft erschweren, sich vor seiner Verantwortung zu drücken und Despot:innen und Oligarch:innen ungeschoren davonkommen zu lassen. An der Praxis im aktuellen Fall der Sanktionen gegen russische Oligarch:innen – bei denen das SECO nach wie vor schlampt – konnten wir leider noch keine grösseren Verbesserungen erzielen: Ein Vorstoss der SP für eine Task Force wurde abgelehnt (Votum von Mattea Meyer).

Verbesserung für Sans-Papiers

Der Nationalrat hat einer Kommissionsmotion zugunsten junger Sans-Papiers zugestimmt, welche die SP eingebracht hat. Die Bundesverfassung sieht unabhängig vom Aufenthaltsstatus einen Anspruch auf ausreichenden Grundschulunterricht vor. Für Sans-Papiers ist es jedoch sehr schwierig, eine nachobligatorische, berufliche Ausbildung anzutreten, da dafür eine Aufenthaltsbewilligung notwendig ist. Die Härtefallregelung soll für Sans-Papiers erweitert werden, damit sie eine Berufslehre machen können. Das klare Ja im Nationalrat kam dank parteiübergreifender Zusammen- und intensiver Vorarbeit zustande (Votum Céline Widmer). Nun gilt es, auch den Ständerat für diese wichtige Verbesserung für Sans-Papiers zu überzeugen.

Weniger Hürden bei der Stiefkindadoption

Am 26. September des letzten Jahres wurde die Ehe für alle mit grosser Mehrheit angenommen. Im Gesetz besteht allerdings noch eine Lücke, die aufgrund eines Kompromisses mit dem Ständerat damals nicht geschlossen werden konnte. Es geht dabei um die rechtliche Absicherung von allen Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Das Gesetz sieht vor, dass die Elternschaftsvermutung nur für jene Kinder gilt, die durch eine Samenspende im Rahmen des Fortpflanzungsmedizingesetzes gezeugt wurden. Das heisst, sie gilt nicht für Fälle von privaten Spenden oder fortpflanzungsmedizinischen Verfahren im Ausland.

 

Die Rechtskommission des Nationalrats war schon damals der Meinung, dass es – unabhängig davon, wie man zur Fortpflanzungsmedizin steht – im Interesse des Kindswohls ist, dass sie von Geburt an rechtlich abgesichert sind für den Fall, dass einem Ehepartner etwas widerfährt. Mit zwei Kommissionsmotionen hat nun der Nationalrat beschlossen, diese Lücken zu schliessen. Die eine will die Wartefrist bei der Stiefkindadoption abkürzen, die andere will, dass eine gesetzliche Lösung für fortpflanzungsmedizinische Verfahren im Ausland gefunden wird, die den Regeln der schweizerischen Gesetzgebung entspricht. Dies gilt insbesondere für das Recht auf Kenntnis der Abstammung. Die Überweisung dieser beiden Motionen ist auch auf hartnäckige Hintergrundsarbeit der SP zurückzuführen. Der Ball liegt jetzt beim Ständerat.

Endlich ein Aktionsplan zum besseren Schutz für queere Menschen

Gegen den Willen des Bundesrates hat der Nationalrat mit 105 zu 64 Stimmen deutlich Angelo Barriles Postulat für einen nationalen Aktionsplan gegen LGBTQ-feindliche Hassverbrechen angenommen. Der Bundesrat muss nun zusammen mit Kantonen, Gemeinden und den queeren Organisationen national koordinierte Massnahmen zur Verhinderung solcher Taten und zur Unterstützung der Betroffenen ergreifen. Es braucht endlich griffigere Massnahmen, denn gemäss aktuellem «Hate Crime»-Bericht werden durchschnittlich zwei Hassverbrechen pro Woche gegen queere Menschen gemeldet. Obwohl die meisten davon im öffentlichen Raum stattfinden und ein Drittel der Betroffenen sogar verletzt wird, schreitet meist niemand ein.

Sichere Stromversorgung der Polycom-Sendeanlagen

Das Sicherheitsfunksystem Polycom ist das Nervensystem der Blaulichtorganisationen. Mit 60 Millionen Schweizer Franken soll darum die Stromautonomie der Sendestandorte ausgebaut werden. So weit so gut. Die Weiterentwicklung von Polycom hat bekanntlich aber mit diversen Herausforderungen zu kämpfen, es läuft einiges nicht optimal. Sowohl ein Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle als auch die Kantone schlagen Alarm. Diese Probleme müssen schnellstmöglich gelöst werden, sonst ist die Sicherheit unseres Landes tatsächlich einmal massiv gefährdet, wie Priska Seiler Graf in ihrem Votum ausführte.

Die Armee und die neue Sicherheitsstruktur in Europa

Der grösste Wermutstropfen in dieser erfolgreichen Session ist der Entscheid des Ständerats, die Rüstungsausgaben massiv zu erhöhen. Wie schon im Nationalrat hat die bürgerliche Mehrheit im Ständerat die Chance verpasst, eine lösungsorientierte Debatte zu führen, und hat die Situation einseitig dafür missbraucht, strategielose Konzepte durchzusetzen. Bezüglich des Verteidigungsbudgets hat der Ständerat eine Erhöhung von bisher 0.7 Prozent des BIP auf 1 Prozent beschlossen. Wie Daniel Jositsch in seinem Votum ausführt, macht eine solche konzeptlose Erhöhung der Ausgaben ohne klare Strategie überhaupt keinen Sinn. Wir haben uns mit konstruktiven Vorschlägen gegen diese Anhebung gewehrt, leider ohne Erfolg. Die aktuelle dramatische Situation in Europa zeigt, dass unsere Verteidigung eine gesamteuropäische ist. Zweckmässig wäre es, unser Verteidigungskonzept in ein europäisches einzubetten.

 

Fragwürdig ist auch die Vorgehensweise von Bundesrat und bürgerlicher Mehrheit im Zusammenhang mit der Kampfjetbeschaffung: Der Ständerat hat beschlossen, dass der Bundesrat verpflichtet ist, bis Ende März die Verträge zur Kampfjetbeschaffung zu unterzeichnen. Das widerspricht grundsätzlich der Aufgabenteilung zwischen Parlament und Exekutive. Der Bundesrat selbst hat in seiner Botschaft zur Kampfjetbeschaffung festgehalten, dass eine Unterzeichnung vor dem Entscheid über die laufende Volksinitiative nicht in Frage komme. Bundesrätin Viola Amherd hat nun den Ständerat – bzw. dessen bürgerliche Mehrheit – dazu benutzt, diesen früheren Bundesratsentscheid auszuhebeln, um der Volksinitiative auszuweichen. Man kann von einer Initiative halten, was man will, aber es ist ein verfassungsmässiges Recht, das respektiert werden muss – auch vom Bundesrat (Votum Daniel Jositsch).

Verschärfung des Sexualstrafrechts

Aber es gibt auch eine gute Nachricht aus dem Ständerat: Als Erstrat hat er das verschärfte Sexualstrafrecht gutgeheissen. Vergewaltiger sollen zwingend ins Gefängnis müssen. Auch wenn der Ständerat sich nicht für die von der SP favorisierte Variante «Ja heisst Ja», sondern «Nein heisst Nein» entschieden hat, ist das ein enormer Fortschritt. Vor wenigen Jahren hätten wir noch nicht damit gerechnet, dass der Ständerat überhaupt etwas macht. Zudem zeigt das knappe Resultat bei der «Ja heisst Ja»-Abstimmung im Ständerat, dass da noch mehr möglich ist. Das zeigt: Mit guten und hartnäckigen Kampagnen, Lobbying und parlamentarischer Arbeit ist Fortschritt möglich.

Wir wünschen euch eine schöne Sommerzeit und grüssen solidarisch,

 

Angelo Barrile, Jacqueline Badran, Min Li Marti, Mattea Meyer, Fabian Molina, Priska Seiler Graf, Céline Widmer