1:12 – Ein Stück Gerechtigkeit
In der Schweiz sind 130´000 Personen von Erwerbsarmut betroffen und rund 240´000 Erwerbstätige armutsgefährdet. Das heisst nichts anderes, als dass viele Leute, die 100% arbeiten, nicht genug zum Leben verdienen. Gleichzeitig bekommt der UBS-Banker Andrea Orcel 26 Millionen Franken – alleine dafür, dass er an seinem Arbeitsplatz erscheint, quasi als Willkommensgeschenk. Das ist ungerecht. Punkt.
Aber es ist nicht unveränderlich und war nicht immer so. Als ich geboren wurde, also vor etwas mehr als 20 Jahren, war das durchschnittliche Lohnverhältnis noch bei 1:13. 1984 verdienten die Chefs der grössten Schweizer Unternehmen im Durchschnitt sogar nur rund sechs Mal so viel wie eine NormalverdienerIn. Erst in den letzten Jahren sind die Managerlöhne explodiert und einige wenige nehmen sich immer mehr vom gemeinsam erarbeiteten Wirtschaftskuchen. Dies hat nichts mehr mit Leistung zu tun und noch weniger mit Verantwortung. Denn Verantwortung heisst, Verantwortung für ihr Unternehmen und für die Mitarbeitenden zu übernehmen. Dass die Manager mit ihren Riesenbonis die Unternehmensverantwortung oft nicht tragen, zeigte die UBS nur allzu deutlich, als sie 2012 2.5 Milliarden Verluste schrieb und gleichzeitig 2.5 Milliarden an Boni ausschüttete.
Die Gegner der 1:12-Initative malen ein düsteres Bild von der Zukunft bei einer Annahme der Initiative. Dies ist Unsinn! Bei Annahme der 1:12-Initiative würden gerade mal 0.3% aller Arbeitnehmenden weniger verdienen – sofern die tiefsten Löhne im Unternehmen nicht angehoben werden. Dafür würde vom Wirtschaftskuchen sehr viel mehr für alle anderen übrig bleiben und die Lohnsummen könnten neu verteilt werden. Eine Auslagerung des Managements, mit welcher die 1:12-Initiative eventuell hätte umgangen werden können, ist übrigens dank Annahme der Minder-Initiative rechtlich nicht mehr möglich. Aber ohnehin ist die Umgehungsgefahr kein Argument gegen ein Gesetz – oder würde jemand auf die Idee kommen, die Steuerpflicht abzuschaffen, nur weil man Steuern hinterziehen kann?
Am 24. November haben wir die Chance, die Schweiz gemeinsam ein Stück gerechter zu machen. Es ist unglaublich, wie viele Menschen sich tagtäglich dafür einsetzen, dass die Schweiz ein Stück gerechter wird. Sei es, indem sie eine Fahne aufhängen, Flyern gehen, Aktionen organisieren oder mit ihren Bekannten diskutieren. Vor allem aber wird es in den nächsten Wochen darauf ankommen, möglichst viele Leute zum Abstimmen zu bewegen. Und dabei die Worte einer 93jährigen Frau im Ohr zu haben, welche bei mir die 1:12-Initiative unterschrieben hat: „Dies ist die wichtigste Initiative, von der ich je gehört habe.“